“Warum erwarten Sie, dass die Liebe alles regeln soll?”, fragt er schließlich. Wir starren ihn an. “Ja, man kann Liebe über alles drübergießen, aber dadurch ändern sich die Lebensumstände nicht. Es geht darum, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, nicht darum, sich zurückzulehnen und von der Liebe zu erwarten, dass sie alle Probleme löst.” (S. 248)
Vor vier Jahren lernte Emilia auf einem Poetry Slam Jack kennen - und danach ist einiges ganz furchtbar schief gelaufen. Heute ist Emilia fast dreißig und wohnt alleine mit ihrer Katze Oskar in einer kleinen Wohnung, die sie - gelähmt von ihrer Angststörung - kaum noch verlässt. Zu Jack und auch zu ihrer besten Freundin Merle hat sie seit fast vier Jahren keinen Kontakt mehr. Und dann droht auch noch ihre Schwester Lara damit, den Kontakt abzubrechen, wenn sie keine Therapie macht. Notgedrungen schleppt Emilia sich also zum Psychotherapeuten. Und wer sitzt ihr dort im Wartezimmer gegenüber? Richtig, niemand geringeres als Jack höchstpersönlich. Durch eine Verwechslung landen die beiden zusammen in einer Paartherapie. Und Emilia muss sich entscheiden: weglaufen, oder sich ihren Ängsten ein für alle Mal stellen.
Zwischen “Damals” und “Jetzt” wechselnd erzählt Lea Melcher die Geschichte Emilias, die von Selbstzweifeln, Schuld und Verletzlichkeit geprägt ist. Sie führt uns zurück zu dem Punkt vor vier Jahren, als alles so furchtbar schief gelaufen ist, und zeigt, wie sehr der Vergleich mit Anderen und unsere eigene Angst vor dem Nicht-genug-sein unser Leben prägen und bestimmen können. Gleichzeitig ist Emilias Geschichte aber auch eine voller Hoffnung, denn genau wie im Roman ist es auch im echten Leben nie zu spät, sich seinen Ängsten zu stellen und das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Schließlich haben wir alle verdient, dass uns Gutes passiert.
Begleitet wird die Geschichte von Lea Melchers eigenen Illustrationen, die die Zärtlichkeit, mit der Aber vielleicht wird auch alles gut erzählt wird, unterstützt und dem Buch seinen ganz eigenen Charakter gibt. Mit einem humorvollen und einfühlsamen Blick auf Mental Health und Gen Y wendet sich Aber vielleicht wird auch alles gut an alle, die selbst mit einer Angststörung zu kämpfen haben, die zu oft an sich selbst zweifeln, und an alle, die in ihren Zwanzigern auch noch nicht die Antworten auf die ganz großen (und kleinen) Fragen des Lebens gefunden haben.
Ich habe Aber vielleicht wird auch alles gut zufällig in der Buchhandlung entdeckt und bin so froh, dadurch nicht nur dieses tolle Buch, sondern auch Lea Melcher und ihre wunderschönen Illustrationen entdeckt zu haben. Emilias Geschichte hat mich tief berührt und ich habe bis zum Ende mit ihr mitgefiebert. Als geborene Mainzerin war es auch toll, die vielen kleinen Anspielungen an meine Heimatstadt zu entdecken. Es ist gerade mal Ende Januar, aber ich bin mir jetzt schon ganz sicher, dass das hier eines meiner Lieblingsbücher 2022 wird!