"Wie wäre es, ein solches Leben zu leben? Eins, das sich um den Ehemann und die Kinder drehte. Ich verstand nicht, wie sie dieses Leben gefunden hatten; welche Gespräche hatten diese Frauen geführt, als sie Teenager waren oder Anfang zwanzig, Gespräche über Schminktricks oder neue Frisuren, die an mir vorbeigegangen waren. Nicht dass ich mir einen Ehemann oder Kinder wünschte, aber mir schienen diese Leben so fremd, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie sie zustande gekommen waren."
"Peter kann über alle möglichen Dinge endlos reden, aber bei manchen Themen - wenn es um Gefühle oder Beziehungen geht oder um das Leben an sich - verschließt er sich."
"Vielleicht glaubt er, dass Schmerz und Freude uns gleichermaßen zu den Menschen machen, die wir sind."
"Zuhause: Es müsste also zwei Begriffe dafür geben, einen für das, was dich durch deine dunkelsten Stunden trägt, sowie einen weiteren für das, was dir Halt gibt. Denn manchmal harren wir nur in Städten oder Ehen aus, weil wir sonst geschichtslos wären. Wir haben zu vieles miteinander gemeinsam. Und wir glauben, dass niemand anderes uns verstehen würde."
"Keiner klärt ein über das Schwierigste am Elternsein auf, nämlich nie sicher zu sein, ob man auch gut darin ist."
"Ein Leben ohne Besessenheit kommt ihm vor, wie in einem Wartezimmer ohne Türen zu sitzen. Niemand wird deinen Namen rufen. Du wartest auf rein gar nichts."
"Allein schon der Gedanke daran, wie unbegreiflich es ihr erscheint, überhaupt als Mensch leben zu können, wenn man keine Freundin wie Ana hat, verursacht ihr Kopfschmerzen."
"Hannah hat im Fernsehen einmal einen Eheberater sagen gehört, dass das Wesentliche in einer Ehe darin bestehe, gemeinsame Ziele zu haben und in dieselbe Richtung zu schauen. Doch sie denkt oft, dass die Sache einen Haken hat: Wenn man immer in dieselbe Richtung schaut, sieht man einander nie."
"Ihre Mutter hatte früher immer gesagt, dass man nie einem Menschen trauen solle, der nichts in seinem Leben hingebungsvoll liebt. Mittlerweile kann sie diesen Ausspruch immer besser nachvollziehen."
"Sie unterhalten sich während der gesamten Zugfahrt so unbekümmert, dass Maya gar nicht bemerkt, wie gut der Mann darin ist, sie auszufragen. Eine kurze unschuldige Frage führt zur nächsten, und schon bald hat sie so einiges von sich selbst preisgegeben und er rein gar nichts von sich."
"Er fragt sich, was genau ihn und seine Schwester vom Glück getrennt hat und ob man überhaupt alle »Wenn nur« und »Wenn nur nicht« in die Waagschale werfen kann, denn aus genau denen besteht das Leben letztendlich."
"Wenn man jung ist, glaubt man, Liebe sei identisch mit Verliebtsein. Doch Verliebtsein ist einfach, jedes Kind kann sich verlieben. Aber Liebe? Liebe bedeutet für einen Erwachsenen Arbeit. Liebe fordert den ganzen Menschen, all seine schlechten und seine guten Seiten. Dies hat nichts mit Romantik zu tun, denn das Schwierige an einer Ehe ist nicht, dass man mit all den Fehlern des Partners leben muss, sondern vielmehr, dass der Partner damit leben muss, dass man sie sieht. Dass man inzwischen alles über ihn weiß. Die meisten Menschen sind nicht mutig genug, um ohne Geheimnisse leben zu können. Alle träumen mitunter davon, unsichtbar zu sein, aber niemand träumt davon, durchsichtig zu sein. Ehe? Irgendwann müsste ein anderes Wort dafür erfunden werden. Denn es gibt kein vergleichbares für »ewiges Verliebtsein«, nur die Liebe reicht so weit, und die ist nie einfach. Sie verlangt dem Partner alles ab. Alles, was man hat. Einfach alles."
"Drinnen in der Küche bereitet Bobo das Abendessen zu und stellt Tess währenddessen interessierte Fragen. Seine Mutter hat ihm beigebracht, dass diese beiden Dinge am besten geeignet sind, um ein Mädchen zu umwerben. Sie hat immer argumentiert: »Weil Mädchen weder das eine noch das andere gewohnt sind.«"
"Es ist eine schöne Nacht, eine der allerschönsten, so eine, in der man bis kurz vor dem Morgengrauen wach bleibt, weil man das Gefühl festhalten will, dass die Seele fast gänzlich zur Ruhe kommt. Als hätte man fast alle Antworten auf fast alle Fragen gefunden. Denn schon morgen ist alles wieder vorbei, das weiß man."
"»Hast du denn gefunden, wonach du gesucht hast?« » Wo meinst du?« »Hier.« [...] »Ich weiß gar nicht, was das sein sollte, wenn ich ehrlich bin.« [...] »Das ist ja wohl der Sinn des Suchens, oder?«"
"Ana schaut in die eine Richtung und Hannah in die andere, weil keine der beiden weiß, wohin mit all jenen Gefühlen, die man ein Leben lang in sich trägt, ohne dass es jemand sieht."
"Vergeben, davon ist Tekgül überzeugt, vergeben kann man sich nur selbst."
",,Ich merk selbst gar nicht, wie schlecht es mir geht, und dann mach ich eben mein Ding, also: so, wie ich das eben gewohnt bin, und vergesse total, dass es andere Menschen gibt, die sich für mich interessieren und die mir helfen wollen würden und ...""
"»Was du erfahren hast, schreibt doch lediglich deine Vergangenheit um. Ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sich das anfühlen muss, aber es ändert nichts daran, wer du bist. Es kann höchstens ändern, wer du sein wirst. Oder werden wirst.«"
"Das Gewicht all dessen, was in diesem Moment passiert, ist groß, doch das meiste ist längst geschehen."
"»Alles okay?«, fragte Benjamin. »Ja«, antwortete Pierre und sah ihn fragend an. Benjamin wusste nicht, was er sagen sollte, er wusste selbst nicht, wie er die Frage gemeint hatte."
"Noch immer gab es Momente, in denen er spürte, was sie einander sein konnten."
"Als die Therapeutin ihn fragte, was er bei ihrem Tod empfunden habe, hatte Benjamin geantwortet, er habe gar nichts empfunden, aber vielleicht stimmte das nicht, vielleicht empfand er so viel, dass er nichts davon benennen konnte."
"»Welche Ansicht auch immer geäußert wurde und je größer die Autorität seines Gesprächspartners ihm schien, desto beharrlicher trieb es ihn dazu, das Entgegengesetzte zu verteidigen und mit Worten zu befehden.«"
"»Und dann blickt man, wenn man sich schlecht fühlt, in sein Innerstes und fragt sich: Was willst du denn?«"
"Ich hatte noch nicht entdeckt, dass ich in einer Art durchsichtigem Ballon lebte, der über die Welt hinwegtrieb ohne wirklich mit ihr in Berührung zu kommen, und dass ich mir von den Leuten, die ich kannte, ein Bild machte, das nicht mit ihrem Selbstbild übereinstimmte; das galt umgekehrt auch für mich. Den anderen erschien ich hoch oben in meinem Ballon kleiner, als ich mir selbst erschien. Auch verschwommener."
"Ich glaubte, in dieser Welt meinen Weg machen zu müssen, wo immer der war. Ich glaubte, ich sollte irgendwo ankommen- wie so oft in meinem Fall hieß irgendwo nicht hier."
"Sie hatte eine Grenze überschritten. Aber wo war die Grenze? Sie konnte sie nicht erkennen."
"Gauß kam auf den Zufall zu sprechen, den Feind allen Wissens, den er immer habe besiegen wollen. Aus der Nähe betrachtet, sehe man hinter jedem Ereignis die unendliche Feinheit des Kausalgewebes. Trete man weit genug zurück, offenbarten sich die großen Muster. Freiheit und Zufall seien eine Frage der mittleren Entfernung, eine Sache des Abstands."
"Unsere Brüderlichkeit, begann er von neuem, wieso erscheint sie mir als das eigentliche Rätsel? Daß wir allein sind und verdoppelt, daß Du bist, was ich nicht werden soll, und ich bin, was Du nicht sein kannst, daß wir zu zweit durchs Dasein müssen, einander, ob wir wollen oder nicht, für immer näher als jedem anderen."
"Die beiden sahen einander an, und später hätte keiner von ihnen mehr sagen können, ob wirklich eine Vorahnung zwischen ihnen hin- und hergegangen war, daß jeder für den anderen wichtiger sein sollte als irgendein Mensch sonst, oder ob es ihnen bloß beim Zurückdenken so schien."
"Wer den Professor nach frühen Erinnerungen fragte, bekam zur Antwort, daß es so etwas nicht gebe. Erinnerungen seien, anders als Kupferstiche oder Postsendungen, undatiert. Man finde Dinge in seinem Gedächtnis vor, welche man manchmal durch Überlegung in die richtige Reihenfolge bringen könne."
Man hat uns früh eingeschärft, daß ein Leben Publikum benötigt. Beide meinten wir, das unsere sei die ganze Welt. Nach und nach wurden die Kreise kleiner, und wir mußten begreifen, daß das eigentliche Ziel unserer Bemühungen nicht der Kosmos, sondern bloß der andere war."
"Abtauchen, ins tiefste Blau, in die absolute Stille, und hoffen, dass die Luft reichte."
"Ach Fra, sie nervte, aber sie war das pralle Leben, und das war manchmal ziemlich anstrengend. Für die Menschen um sie herum, aber vermutlich auch für sie selbst. Mario hatte recht: Laura hatte keine Ahnung von Fra."