pascalthehoff's Reviews (404)


Butter wirkt in seiner Erzählweise zuweilen wie ein Fantasy-Roman, so wie es seine Welt und seine zwischenmenschlichen Beziehungen bis in die Nebenfiguren ausschmückt. Für diese Fülle allerdings – wenn auch nicht für seine thematische Dichte – wirkt der Roman wiederum sehr kompakt. Doch auch, wenn die Themen nicht gepresst und gerollt sind, behandelt Butter eine ganze Bandbreite kultureller Probleme des modernen Japans und der modernen Welt.

Ganz oben stehen Misogynie in Japan, typische Rollenverhältnisse in heterosexuellen Beziehungen sowie die japanische Arbeitskultur aus einer weiblichen Linse. Diese drei Hauptthemen lösen sich im Verlauf des Romans schwerpunktmäßig ab – ohne jedoch jemals eines der Themen komplett aus den Augen zu verlieren. Zum Beispiel sind die kulturellen Anekdoten zu japanischem Alltagssexismus zu Beginn deutlich präsenter als in der zweiten Hälfte. Eine gesunde Durchmischung, die verhindert, dass der Roman in seiner geschwätzigen Erzählweise völlig den Schwung verliert. Umso spannender ist, wie viele Fragen Butter zwischen den vielen ausufernden Zeilen aufwirft.

Einer der ideologischen Hauptkonflikte dreht sich um das, was wir heute als Tradwife (also als traditionelle Hausfrau) bezeichnen würden. Ein Trend, der aktuell ein seltsames Comeback in sozialen Medien genießt. Wie valide ist ein Leben nach diesem konservativen Rollenbild in der modernen Gesellschaft? Welchen Wert hat die Tradwife? Welche Implikationen hat es, sich als Tradwife zu identifizieren? Sind einige Gründe, als Tradwife zu leben, legitimer als andere? Und am wichtigsten: Wann ist das Aufgehen in konservativen Idealen nur eine Flucht vor tiefergreifenden Problemen?

Ein weiteres Kernthema ist Body Positivity – mit einem Fokus auf gesunde Ernährung, die erfüllt und glücklich macht. Denn Butter erkennt (ohne den Begriff jemals zu erwähnen), dass Body Positivity nicht bedeutet, ungesunde Körperbilder zu verherrlichen. Body Positivity bedeutet lediglich (oder SOLLTE zumindest bedeuten), niemanden für Figur oder Körper zu diskriminieren und selbst frei von sozialen Erwartungen an den eigenen Körper zu leben.

Und genau darum geht es in Butter: um eine Abkehr vom Kalorienzählen, um damit überhaupt erst ein faktisch gesundes Schönheitsideal zu erreichen. Und um die Akzeptanz Außenstehender für Leute, die diese physisch und psychisch gesunde Entscheidung treffen. (Auch wenn ein wahrhaft gesunder Lebensstil sicherlich etwas weniger Butter bedürfte.)

„Ich glaube wirklich, dass wir einen wertvollen Teil unserer Esskultur zerstören, indem wir bestimmte Nahrungsmittel grundlos meiden. Ich habe mir vorgenommen, von nun an ganz normal Reis und Milch zu mir zu nehmen.“ – Das äußerste Minimum eigentlich, doch beim ostasiatischen Schönheitsideal keine Selbstverständlichkeit.

Sind japanische Romane ohnehin für detaillierte Beschreibungen von Essen bekannt, hebt Butter das Klischee auf einen anderen Level. Die Hauptcharaktere behandeln Nahrung wie eine Religion, die Körper und Geist formt. Essen steht dabei meist entweder stellvertretend für die Fürsorglichkeit der Hausfrau oder aber für die Ermächtigung von gesellschaftlichen Ernährungsnormen. Butter ist also auch an dieser Front gleichzeitig NOCH ausufernder als andere japanische Romane, verleiht dem Nahrungsfetisch aber tatsächlich narrative Kalorien.

Insgesamt verliert sich Butter zu häufig in ausufernder Selbstanalyse der Protagonistin und droht dabei, zu viel zu erklären. Vieles erscheint zwischen den Zeilen deutlich genug – auch ohne den Subtext noch einmal ausformuliert erklärt zu lesen. Doch auch, wenn Butter eine sehr langsame, zuweilen ziellose und bevormundende Leseerfahrung ist, bleibt unterm Strich eine klare Empfehlung, wenn man bereit ist, sich auf diese Gemütlichkeit einzulassen.