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Binas historia

Maja Lunde, Lotta Eklund

3.66 AVERAGE


Sie findet den Weg hinaus aus dem Flugloch, dreht eine Runde vor dem Bienenkorb, ehe sie allmählich den Abstand zu ihrem Zuhause vergrößert. Aber noch ist sie nicht bereit.


Ein weiteres Mal läßt mich ein Buch recht ratlos zurück: “Die Geschichte der Bienen” von Maja Lunde ist zweifellos intelligent, kritisch und zutreffend. Am Ende – und immer, wenn es auch zwischendurch “menschelt” – ist es auch ein kraftvolles und berührendes Buch.

Leider sind die Längen zumindest am Anfang spürbar: Bemüht erzählt Lunde in drei Zeit- und Erzählebenen von der Geschichte der drei Protagonisten, ihrer Familien und ihrer jeweiligen Beziehung zu den Bienen.

William, im Jahr 1852, ist mäßig erfolgreicher Saatgutkaufmann und Naturforscher, der – so meint er zumindest – seiner Familie seine Leidenschaft für die Forschung geopfert hat und daran zerbricht.

George, der vermeintliche Realist mit großen Träumen, der als Imker in den ländlichen USA lebt und arbeitet:

"»Ich liebe Star Wars. Deswegen bin ich noch lange kein Jedi geworden.«"

Tao, die Getriebene, die die eine kurze Stunde, die sie mit ihrem einzigen Sohn, Wei-Wen, am Tag verbringen kann, dafür nutzen möchte, diesem eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Vielleicht tut sie auch zuviel des Guten; vielleicht tut ihr Mann, Kuan, auch zu wenig desselben – es muß offen bleiben:

Wir haben viele Stunden, da können wir einiges schaffen. Ich würde ihm so gern das Zählen beibringen«, erklärte ich.

Sicher ist nur: Wei-Wen ist der Schlüssel zur persönlichen Geschichte Taos und Kuans sowie auch zur übergreifenden Handlung.

Etwa die Hälfte des Buches wird aufgewandt, die Protangonisten, William, George und Tao, und deren höchst unterschiedliche Charaktere haarfein zu beleuchten. Hier ist es auch, wo ich deutliche Längen gespürt habe – das Buch “zieht sich”.

Allerdings auf unbestritten hohem Niveau – nie wird die Charakterisierung plump oder platt. Das Mißfallen, der sprichwörtliche “Kloß im Hals” auf eine vermeintlich schlechte Nachricht hin wird “traditionell” behandelt und verarbeitet:

Ich warf einen ordentlichen Speichelklumpen aus, und die Fliege verschwand, ich sah nicht, wohin, wollte ihren Weg aber auch nicht weiter verfolgen.

Auf diese eher indirekte Weise werden Denken und Handeln der Personen glaubwürdig und lebensecht. Das ist zweifellos ein großes Verdienst und erhöht die Wucht des machtvollen Endes.


Auch ein leiser, feiner Humor findet sich an vielen Stellen des Buches und ich fühlte mich auch immer mal wieder erinnert:

In mir kribbelte es vor Erwartung, denn jetzt ging es los, endlich ging es los. »Es gibt Essen!« Thildas Stimme zerschnitt das Summen der Insekten und schlug die Vögel in die Flucht.


Andererseits aber leidet das Buch zeit- bzw. zeilenweise an “Kalenderspruch-itis”:

Ich hatte geglaubt, mich entscheiden zu müssen, aber ich konnte beides in Einklang bringen, das Leben und die Leidenschaft.

Dieses Motiv wurde so oft verwandt, daß es sich mittlerweile vorwiegend klischeehaft oder - sofern intendiert - selbstironisch liest. Eine ernsthafte Verwendung wie hier – nein, das kommt deutlich zu spät.


Dennoch: Nach etwa der Hälfte des Buches wird direkter und unmittelbarer erzählt. Es wird vielleicht ein bißchen weniger reflexiv, dafür aber lebendiger, zeitweise wirklich mitreißend und spannend, teils interessant und sprachlich ausgesprochen schön und fließend.

Menschlich glaubwürdige Dialoge zeigen die Befindlichkeiten; auch im beinahe Banalen spiegelt sich Nähe wider:

Er feixte. »Lass mal hören, Papa. Wie ist das mit den Bienen und Blumen?« Ich lachte. Er auch. Das wärmte.


Leider bleibt es nicht immer beim Indirekten, bei der Kritik ohne den erhobenen Zeigefinger; manchmal, so muß man vermuten, meint Lunde auf uns “grobe Klötze” Leser mit dem “groben Keil” Moral direkt einhämmern zu müssen.

Sie wird dann belehrend und moralisierend, was diesem Buch nicht gerecht wird:

Er sah mich nicht an, redete einfach nur weiter, hob seine Stimme. »Du wirst auch wieder einen Kollaps erleben. Es wird wieder passieren.« Jetzt sprach er laut. »Die Bienen sterben, Papa. Und nur wir können etwas dagegen unternehmen.« Ich drehte mich zu ihm. So hatte ich ihn noch nie reden hören, ich versuchte mich an einem Lächeln, das zu einer schiefen Grimasse geriet. »Wir? Du und ich.« Er lächelte nicht, schien aber auch nicht wütend zu sein. Er war todernst. »Wir, die Menschen. Wir müssen etwas ändern. Darüber habe ich doch gesprochen, als wir in Maine waren. Wir dürfen dieses System nicht unterstützen. Wir müssen etwas ändern, ehe es zu spät ist.«

Ja, sicher, wir müssen etwas ändern, aber nicht demonstratives Aufbegehren oder – noch drastischer formuliert – Aufwiegelung wird da helfen. Die weitgehende Finesse eines Romans wie dieses jedoch schon eher.

Insbesondere dann, wenn die drei Erzählstränge des Romans am Ende miteinander verknüpft werden und das Schicksal der Menschheit anhand des Lebens dreier Menschen (oder eines Menschen, wie man es nimmt) erzählt wird.

Da nimmt das “Schicksal” massiv seinen Lauf und man gibt sich, vielleicht auch nur für einen Moment, der Hoffnung wider besseres Wissen hin, um wenigstens einen Moment länger (wieder) zu glauben, alles werde gut. Wird es nicht; für niemanden in keiner Zeitebene:

Da beugte er den Kopf vor, sein Gesicht zersprang, es löste sich gleichsam vor mir auf. Er stieß drei tiefe Schluchzer aus. Sein Körper brodelte unter meiner Hand.

Hier am Ende brilliert Lunde sprachlich wie erzählerisch und spielt ihre Stärke aus: Sie spielt mit unglaublichen Formulierungen. Tief bewegend und authentisch.


Am Ende bleibt ein wenig Hoffnung...

Wir drehten uns zum Bienenstock um, und so blieben wir Seite an Seite stehen und betrachteten ihn. Unsere Hände waren sich ganz nahe, aber keiner nahm die des anderen, wir waren wie zwei Teenager, die sich nicht trauten. Die Wärme zwischen uns war wieder da.

… individuell in allen Zeiten...


»Es war nicht deine Schuld, Tao. Es war nicht deine Schuld.«

… wie auch global für die Menschheit.


Genau das ist der Verdienst Lundes: Sie zeigt im Kleinen und auf der persönlichen Ebene die Gefahr, die Tragik, aber auch die verbleibende Hoffnung und Liebe auf, die uns alle, als Menschheit, bleibt und letztlich hoffentlich eint.

Wäre Lunde dies etwas kürzer und prägnanter gelungen, so wäre ich auf jeden Fall bei vier Sternen; so bleibt es bei dreien und der etwas vagen und bangen Frage, ob das Ende ohne die lange Einleitung in der vorliegenden Form funktioniert hätte.

Was meinst Du dazu?
challenging dark emotional reflective sad tense slow-paced
Plot or Character Driven: Plot

England, 1852: William hat zu Gunsten seiner großen Familie auf eine große Karriere als Biologe verzichtet und verkauft stattdessen Saatgut. Als sein Mentor ihm sein eigenes Versagen vorführt, verfällt er in Lethargie. Bis er eine Idee hat, die ihn wieder aus dem Bett holt: ein neuartiger Bienenstock.

Ohio, USA, 2007: Georges Familie betätigt sich seit Generationen hauptberuflich als Imker und diese Tradition soll nach seinem Willen fortgeführt werden. Doch sein Sohn Tom scheint andere Interessen verfolgen zu wollen. Derweilen erreichen den Bienenfarmer immer mehr Gerüchte von der seltsamen Erscheinung „Colony Collapse Disorder“: Farmer weiter südlich in den USA finden ihre Bienenstöcke plötzlich fast leer vor – frei sowohl von lebenden als auch von toten Bienen.

Sichuan, China, 2098:

Tao ist eine von unzähligen Bestäuberinnen, die in mühevoller Handarbeit die Arbeit der ausgestorbenen Bienen verrichten. Dennoch reicht die Ernte jährlich kaum zum Überleben. In anderen Regionen wie Europa ist die Lage noch schlimmer. Tao hat mit ihren Mann einen dreijährigen Sohn und erhofft sich für ihn eine weiterführende Ausbildung, damit er nicht wie die anderen Kinder mit acht Jahren mit der Arbeit als Bestäuber beginnen muss. Doch dann stößt der Familie ein Unglück zu, das ihr Leben über den Haufen wirft.

Maja Lundes Roman erzählt jeweils einen entscheidenden Abschnitt im Leben dieser drei Familien, deren Leben sich mehr oder weniger um Bienen dreht – oder eben um deren Fehlen. Lunde wechselt dabei in mit dem Namen des jeweiligen Protagonisten betitelten Kapiteln zwischen den drei Schauplätzen bzw. Zeitstellungen. Der Sprachstil ist recht einfach, was in Kombination mit den kurz gehaltenen Kapiteln für hohe Spannung und ein hohes Lesetempo sorgt.

In einigen Rezensionen wurde geäußert, dass Maja Lunde sich stärker auf die Geschichte der Familien konzentriere als erwartet. Das habe ich nicht so empfunden, ich behaupte, die Bienen sind vielmehr der eigentliche Protagonist des Romans, auch wenn es scheinbar nur indirekt um sie geht. Ich konnte keine Seite des dystopischen Zukunftsszenarios ohne Bienen, das für mich den stärksten der Handlungsstränge darstellt, lesen, ohne daran denken zu müssen, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kollaps der Bienenpopulationen tatsächlich eintritt. Und darin liegt auch die eigentliche Motivation, die ich hinter diesem Buch sehe: uns wachzurütteln und vor Augen zu führen, wie es der Welt ergehen kann, wenn wir es nicht schaffen, das Insektensterben aufzuhalten, und die Bienenhaltung in der traditionellen Form infrage zu stellen. Jeder hat wohl schon einmal etwas vom Bienensterben gehört, aber wie viele (außer Imkern und anderen Experten) haben sich deshalb ernsthafte Gedanken gemacht oder sogar etwas dagegen getan? Auch ich war mir des Problems bewusst, wir hatten sogar einen Fall von Colony Collapse Disorder (CCD) in der Familie, die Stieftochter meiner Schwester ist Gärtnerin und hatte im Garten meiner Schwester einen Stock aufgestellt. Eines Tages war er leer. Richtig aufgerüttelt hat mich erst dieses schöne Buch, dem ich möglichst viele Leser wünsche. Ich weiß nicht, ob wir das Bienensterben noch aufhalten können. Ich für meinen Teil habe vor, zum nächsten geeigneten Zeitpunkt bei Wildbiene + Partner ein Beehome zu bestellen und einen kleinen Beitrag zur Verbreitung der Mauerbiene zu leisten.
dark mysterious reflective medium-paced
Plot or Character Driven: Plot
Strong character development: Complicated
Loveable characters: No
Diverse cast of characters: Yes
Flaws of characters a main focus: No
informative reflective medium-paced
Plot or Character Driven: Plot
Strong character development: No
Loveable characters: Yes
Diverse cast of characters: Yes
Flaws of characters a main focus: No
evelina96's profile picture

evelina96's review

4.0

En väldigt aktuell och intressant roman! Gillade verkligen hur boken var uppbyggd. Läs hela recensionen här:https://ewelinasbokblogg.blogspot.com/2018/06/binas-historia.html
emotional informative sad medium-paced

The history of bees has a very readable voice, but not much seems to actually HAPPEN.

This is the story of three different characters, spanning a couple of centuries, based around the theme of bees. Occasionally there are bees printed on the pages. This can be quite alarming when reading at night feeling sleepy!

William is an insufferable Victorian asshole that cares more about staring at his own navel than taking an interest in the people around him. He's a maudlin, self obsessed chump that wants all the glory with none of the grind. He was my least favourite character.

George is a beekeeper trying to lure his budding-writer son into a life of beekeeping and hard labour. At least George is inept as far as his family are concerned, rather than uncaring. I found him quite sympathetic and found he rang truest out of the bunch.

Then there is Tao, living in late 21st century China, dusting the trees with pollen in a future where the bees have gone, food is scarce and it's all gone a bit apocalyptic.

The history of bees can't really decide whether it's a story or a thought experiment. There is not enough intellectual meat in there for it to be a true portent or textbook on bee-ness, however, neither does enough happen to drive forward a compelling story. The way I see it, is a series of well written and interwoven character pieces lovingly discussing the importance of bees.
adventurous emotional hopeful informative reflective medium-paced
Plot or Character Driven: Character
Strong character development: Complicated
Loveable characters: No
Diverse cast of characters: Yes
Flaws of characters a main focus: Yes

I alternated between only reading a page or two at a time, and then not being able to put this down. It’s just so sad that it was hard for me to allow myself to be swallowed up. Ultimately, it is a book full of warnings and hope. This book fulfills prompt 10 of the Book Riot 2019 #ReadHarder challenge: a translated book written by and/or translated by a woman. (This is both.)