Was bin ich hier lesend? Ohne Umschweife: Ist das ein Totalausfall in Form von verschwendetem Papier und Druckerschwärze? Ja. Ja, ist es. Ich habe „Not Your Type“ vor allem aus Recherchegründen gelesen, weil Romance normalerweise nicht mein Genre ist. Trotzdem war ich neugierig, immerhin geht es hier um einen transmaskulinen Protagonisten. Wir sind schon unsichtbar genug im Diskurs. Eigentlich schön, Menschen wie mich hin und wieder doch in der Literatur repräsentiert zu sehen. Umso schmerzhafter war dieser Schlag ins Gesicht in Form von 367 voller Unsensibilität.
Marie ist in ihrem Kommilitonen Fynn verliebt, kriegt es aber nicht auf die Reihe, ihn mal anzusprechen. Das muss erst ihr Kumpel Joon für sie übernehmen, der einige Wochen später Fynn anschleppt, als Maries Freundesgruppe auf einen Roadtripp nach Italien aufbrechen will. Warum Fynn so plötzlich aus seinem Schneckenhaus kommt, ist nicht ganz klar, denn eigentlich soll niemand wissen, dass er trans ist. So einer wie er kann nicht geliebt werden, denkt er. Zum Glück ist das cis Mädchen zur Stelle, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen!
„Not Your Type“ tritt so ziemlich in jedes Fettnäpfchen, das mensch sich nur denken kann. Es beginnt schon auf der allerersten Seite mit dem Deadnaming des Protagonisten. Auf der allerersten Seite! Ich fasse es nicht. Wer sich auch nur annähernd mit der Thematik befasst, weiß, dass deadnaming eine der trans Todsünden schlechthin ist. Und das gilt auch für fiktionale Charaktere!
So geht es fröhlich oder auch nicht wirklich fröhlich weiter. Immer wieder gibt es popkulturelle Anspielungen auf Harry Potter. Da der Roman 2021 rauskam, kann keiner behaupten, es sei nicht bekannt gewesen, was für eine widerliche Person Rowling ist in ihrer rechten Hetze gegen trans Menschen. Sie dann dennoch in einem Roman mit einem trans Protagonisten zu referieren, ist in besten Falle geschmacklos, aber eigentlich ist es nur ein fetter Schlag ins Gesicht.
Weiter geht es mit Traumaporn. Fynns Charakter besteht aus genau einer Eigenschaft: trans = leiden. Alles an seinem Dasein ist davon geprägt, wie furchtbar sein Leben ist und was er alles an traumatisierender Gewalt durch Eltern und Mitschüler erfuhr, was in bodenlosem Selbsthass mündet. Wenn ich es nicht absolut sicher besser wüsste, würde ich fast denken wollen, dass trans sein furchtbar schrecklich sein muss. Spoiler: Holy fuck, no! Trans sein ist geil! Alles hieran ist bullshit!
Ja, trans Personen erleiden ungemein viel mehr Gewalt, was in den letzten Jahren durch die negative Obsession der Presse, der Rechten und der Evangelikalen nur noch schlimmer wurde. Aber muss daraus so ein Traumaporn entstehen, in dem detailliert geschildert wird, was Fynn alles angetan worden ist? Fynns Charakter wird dadurch nicht einmal bereichert, weil er ohnehin nur aus genau einer Eigenschaft besteht: „Buhu, ich bin so schrecklich, weil ich trans bin, niemand wird mich lieben.“ Die internalisierte Transfeindlichkeit ist hier definitiv over 9000 und erreicht einfach nur extreme Level.
Und daraus wird dann eine furchtbar klischeehafte Geschichte gestrickt: cis Person rettet trans Person durch ihre Liebe aus der Misere. Trans Personen müssen nicht gerettet werden, schon gar nicht durch die Liebe einer cis Person! Was wir brauchen, ist ein fucking riot, um das cistem niederzuwerfen!
Dieser Roman wurde von einer cis Person ohne jegliche Recherche für andere cis Personen geschrieben, damit die sich den Bauch pinseln können, was für tolle „Allies“ sie sind, weil sie ja zeigen, dass „sogar trans Personen“ geliebt werden können. No shit, Sherlock. Natürlich können wir geliebt werden, wir sind genauso Menschen wie alle anderen, keine komischen Aliens mit abstoßenden Körpern oder was auch immer hier dargestellt werden soll.
Da erscheint es fast schon nebensächlich, dass Fynns Gründe, auf diesen Roadtrip zu gehen, extrem konstruiert wirken, weil die Autorin irgendeinen Grund brauchte, ihn und Marie zu verkuppeln. Fynn hat stake Sozialängste und verlässt so gut wie nie seine Wohnung. Und dann soll er plötzlich zustimmen, mit Wildfremden auf eine Reise zu gehen? Selbst ich würde das nicht machen, und ich habe meine Sozialphobie wesentlich besser im Griff als Fynn.
Fynn wird übrigens fremdgeoutet, aber an diesem Punkt schockiert mich kaum noch etwas. Natürlich muss er auch noch diese Form von Gewalt erleben. Wir wollen ja möglichst alle transfeindlichen Narrative zwischen zwei Buchdeckel quetschen und dann so tun, als sei alles ok, nur weil Prota-chan selbst auf den Trichter kommt, dass sie da vielleicht gerade gewaltige Scheiße gebaut hat.
Erwähnte ich schon anti-asiatische Narrative? Nein? Natürlich müssen wir diesen Totalausfall mit Rassismus würzen. Joon ist der dicke Asiate, der immer nur am Essen ist oder Fotos macht und sich auch sonst nur über K-Pop definiert. Mehr Tiefe hat sein Charakter nicht. Aber heeey, wir sind doch soooo inklusiv, weil Fynn selbst merkt, dass er über Joon rassistisch denkt. Dann reproduziere doch nicht auch noch Rassismus! Das ist ein Buch! Da hätten solche rassistischen Gedanken gar nicht erst ausformuliert werden müssen!
„Not Your Type“ ist reine Papier- und Zeitverschwendung, bei der sich ein paar cis Leute dafür hatten feiern lassen wollen, wie „progressiv“ sie sind, ohne sich auch nur auf 5 Meilen jemals einer trans Person genähert zu haben. Mit dem Thema jedenfalls wurde sich nicht ansatzweise auseinandergesetzt oder sich auch nur Gedanken gemacht, wie es sensibel zu behandeln sei. Allenfalls ist das hier ein Beispiel, wie es NICHT zu machen ist. Die Charaktere sind ebenfalls eindimensional und die Story wenig originell. Der Roman wollte sich mit einem Regenbogen, da queere Charaktere, schmücken und das war das Vermarktungsargument. Mehr Tiefe gibt es hier nicht. Diese Gewässer erreichen nicht einmal meine Knöchel, so flach ist alles hieran.
Potenzielle Trigger:
- Internalisierte Transfeindlichkeit
- Transfeindlichkeit und transfeindliche Übergriffe
- Unsicheres Binding (Fynn trägt den Binder über mehrere Tage hinweg deutlich länger als 8h)
- Rassismus
- Psychische Probleme, Sozialphobie
- Mobbing
- Fremdouting
- Transfeindliche Narrative
- Harry Potter
Wenn race genau wie gender nur konstruiert ist, warum soll es dann bei gender in Ordnung sein, den eigenen Körper hormonell und operativ der Identität anzupassen, bei race aber nicht? Wo ist da der Unterschied? Die Frage hat mich von Anfang an beschäftigt. Eine klare Antwort habe ich noch nicht, aber ich bin fasziniert von dieser Frage. Vielleicht bedarf es auch gar keiner klaren Antwort. Ich habe jedenfalls gelernt, dass es den Begriff transracial gibt, der das beschreibt, was Saraswati lebt.
Bei meiner Suche nach Antworten im Roman bemerkte ich interessiert, wie die Charaktere den Diskurs darum führen. Saraswatis Gegner sind empört. Sie werfen ihr kulturelle Aneignung, Rassismus und blackfacing vor. Saraswati stellt ihnen zahlreiche Argumente entgegen. Während ihre Gegner aber nur Phrasen dreschen, kann Saraswati ihnen ruhig und besonnen (wenn auch hin und wieder etwas populistisch und effekthaschend inszeniert) ganze Vorträge halten, um zu begründen, warum sie tat, was sie tat, und bringt dabei gut fundierte Argumente und zahlreiche Querverweise auf Fachliteratur an. Besonders aufmerken ließ mich eine ganz bestimmte Stelle:
„»Willst du dann als nächstes behaupten, du seist Aborigine, wenn man alles austauschen kann?«, höhnte Oluchis Freund.“ (S. 244)
Als ich das erste Mal davon hörte, dass man anscheinend tatsächlich körperliche Merkmale so verändern kann, dass ein Passing als transracial (cisracial?) möglich ist, war ich verwirrt. Race war für mich bis dahin etwas Inhärentes, etwas, womit man geboren ist und das nicht veränderlich ist. Ich kann nicht plötzlich Schwarz sein, ich bin schließlich weiß.
Aber dasselbe trifft auch auf gender zu. Ich habe das gender, das ich habe, mir wurde lediglich bei der Geburt ein anderes zugewiesen. Das, was Oluchis Freund hier sagt, ist eins zu eins TERF-Rhetorik, nur auf race statt gender bezogen. Race als Kategorie wurde künstlich erschaffen. Race ist nicht an körperliche Merkmale geknüpft, race hat keine biologische Grundlage, Oppressoren nutzen jedoch körperliche Merkmale, um ihre Theorien zu untermauern. Dasselbe passierte mit der Kategorie gender.
Vielleicht war spätestens das der Moment, der mich umdenken ließ. Sanyal erwähnt im Nachwort zum Roman den Fachtext »trans. Gender and Race in an Age of Unsettled Identities« von Roger Burbaker. Ich kam leider noch nicht dazu hineinzulesen, aber auch dieser Text scheint die Kategorien race und gender in Beziehung zueinander zu setzen. Klingt also nach einer lohnenswerten weiterführenden Lektüre.
Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.
„Iron Widow“ ist ein lauter, wütender Aufschrei gegen Unterdrückung und missbräuchliche Systeme, die Teile der Bevölkerung als bequeme Ressource verheizen, ohne sie als Menschen zu sehen. Gewürzt wird das ganze mit queeren Charakteren und bombastischen Kämpfen zwischen Mechas und Aliens in einer kreativen Reimagination Chinas.
What‘s the T? ist eine gute erste Anlaufstelle für trans Jugendliche, um sich über die Thematik zu informieren und einen ersten Einblick darin zu bekommen. Das Buch behandelt viele Themen, die für trans Jugendliche von Bedeutung sind, wie eben das alltägliche Leben als trans Person, das Coming Out, aber auch medizinische Möglichkeiten. Dabei ist das Buch jedoch nicht der Heilsbringer, sondern streckenweise sehr binär fokussiert und allonormativ. Hinzu kommen einige sehr kritisch zu bewertende Aussagen. So „non-nonsense“ ist es also doch nicht, wie es angepriesen wird.
Die Wings of Fire Reihe ist vom Verlag für Kinder von 8 bis 12 Jahren empfohlen. Sie erzählt kurzweilige und spannende Geschichten aus einer bunten und vielfältigen Welt, die mit jedem Band neue Aspekte dazugewinnt ohne völlig überladen zu wirken. Es geht zwar auch um die Rettung der Welt, aber vor allem um Freundschaft und darum, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Dabei durchlaufen die Protagonist*innen charakterliche Entwicklungen, die bei vielen Anklang finden dürften. Sie suchen Anerkennung, Familie, Anschluss, Gleichgesinnte und zuletzt auch ihren Sinn in der Welt.
Die Wings of Fire Reihe ist vom Verlag für Kinder von 8 bis 12 Jahren empfohlen. Sie erzählt kurzweilige und spannende Geschichten aus einer bunten und vielfältigen Welt, die mit jedem Band neue Aspekte dazugewinnt ohne völlig überladen zu wirken. Es geht zwar auch um die Rettung der Welt, aber vor allem um Freundschaft und darum, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Dabei durchlaufen die Protagonist*innen charakterliche Entwicklungen, die bei vielen Anklang finden dürften. Sie suchen Anerkennung, Familie, Anschluss, Gleichgesinnte und zuletzt auch ihren Sinn in der Welt.
Die Wings of Fire Reihe ist vom Verlag für Kinder von 8 bis 12 Jahren empfohlen. Sie erzählt kurzweilige und spannende Geschichten aus einer bunten und vielfältigen Welt, die mit jedem Band neue Aspekte dazugewinnt ohne völlig überladen zu wirken. Es geht zwar auch um die Rettung der Welt, aber vor allem um Freundschaft und darum, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Dabei durchlaufen die Protagonist*innen charakterliche Entwicklungen, die bei vielen Anklang finden dürften. Sie suchen Anerkennung, Familie, Anschluss, Gleichgesinnte und zuletzt auch ihren Sinn in der Welt.
Die Wings of Fire Reihe ist vom Verlag für Kinder von 8 bis 12 Jahren empfohlen. Sie erzählt kurzweilige und spannende Geschichten aus einer bunten und vielfältigen Welt, die mit jedem Band neue Aspekte dazugewinnt ohne völlig überladen zu wirken. Es geht zwar auch um die Rettung der Welt, aber vor allem um Freundschaft und darum, sich selbst und seinen Platz in der Welt zu finden. Dabei durchlaufen die Protagonist*innen charakterliche Entwicklungen, die bei vielen Anklang finden dürften. Sie suchen Anerkennung, Familie, Anschluss, Gleichgesinnte und zuletzt auch ihren Sinn in der Welt.