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travelartandbookblogger's reviews
80 reviews
Der Vorleser by Bernhard Schlink
4.0
Der Vorleser von Bernhard Schlink, dessen Schreibstil durch Wortschatz und Satzbau archaisch wirkt, erzählt zum einen die persönliche Geschichte einer außergewöhnlichen Beziehung, zum anderen beschäftigt sich der Roman mit der Zeit unmittelbar nach dem Nationalsozialismus und der allgegenwärtigen Frage nach Schuld und Täterschaft.
Michael Berg ist 15 als er die 36-jährige Hanna Schmitz kennen- und lieben lernt. Ihre Beziehung, die man aus heutiger Sicht als toxisch bezeichnen würde - da sie ihn des Öfteren psychisch erniedrigt, besteht aus gemeinsamem Baden, Sex mit anschließendem Kuscheln und vor allem auch daraus, dass er ihr vorliest. Niemand weiß von dieser Liebschaft, die eines Tages abrupt endet, weil Hanna sang- und klanglos verschwindet.
Im zweiten Teil ist Michael Berg Jurist und Hanna Schmitz als ehemalige SS-Aufseherin in Auschwitz Angeklagte.
„Was ist das Recht? Was im Buch steht oder was in der Gesellschaft tatsächlich durchgesetzt und befolgt wird? Oder ist Recht, was, ob es im Buch steht oder nicht, durchgesetzt und befolgt werden müßte [sic], wenn alles mit rechten Dingen zuginge?“
Sie wird schließlich zu lebenslänglicher Haft verurteilt und im dritten Teil nimmt Michael ihr auf Kassetten Hörbücher auf und schickt sie ihr ins Gefängnis.
„Ich wollte Hannas Verbrechen zugleich verstehen und verurteilen. Aber es war dafür zu furchtbar. Wenn ich versuchte, es zu verstehen, hatte ich das Gefühl, es nicht mehr so zu verurteilen, wie es eigentlich verurteilt gehörte. Wenn ich es so verurteilte, wie es verurteilt gehörte, blieb kein Raum fürs Verstehen.“
Ich fand es spannend, die Situation aus deutscher Sicht heraus literarisch verarbeitet zu lesen. Die Hilflosigkeit, Fassungslosigkeit, das Betäubtsein, die kollektive Schuld und Scham sind auf jeder Seite spürbar. Die Aufarbeitung, Aufklärungsarbeit, das Sichbewusstmachen und Sensibilisieren sind heute wichtiger denn je, damit so etwas nie wieder geschieht, damit sich keine gegenwärtige und zukünftige Generation überhaupt mehr der Frage ausgesetzt sehen muss: Was hätte ich getan.
Michael Berg ist 15 als er die 36-jährige Hanna Schmitz kennen- und lieben lernt. Ihre Beziehung, die man aus heutiger Sicht als toxisch bezeichnen würde - da sie ihn des Öfteren psychisch erniedrigt, besteht aus gemeinsamem Baden, Sex mit anschließendem Kuscheln und vor allem auch daraus, dass er ihr vorliest. Niemand weiß von dieser Liebschaft, die eines Tages abrupt endet, weil Hanna sang- und klanglos verschwindet.
Im zweiten Teil ist Michael Berg Jurist und Hanna Schmitz als ehemalige SS-Aufseherin in Auschwitz Angeklagte.
„Was ist das Recht? Was im Buch steht oder was in der Gesellschaft tatsächlich durchgesetzt und befolgt wird? Oder ist Recht, was, ob es im Buch steht oder nicht, durchgesetzt und befolgt werden müßte [sic], wenn alles mit rechten Dingen zuginge?“
Sie wird schließlich zu lebenslänglicher Haft verurteilt und im dritten Teil nimmt Michael ihr auf Kassetten Hörbücher auf und schickt sie ihr ins Gefängnis.
„Ich wollte Hannas Verbrechen zugleich verstehen und verurteilen. Aber es war dafür zu furchtbar. Wenn ich versuchte, es zu verstehen, hatte ich das Gefühl, es nicht mehr so zu verurteilen, wie es eigentlich verurteilt gehörte. Wenn ich es so verurteilte, wie es verurteilt gehörte, blieb kein Raum fürs Verstehen.“
Ich fand es spannend, die Situation aus deutscher Sicht heraus literarisch verarbeitet zu lesen. Die Hilflosigkeit, Fassungslosigkeit, das Betäubtsein, die kollektive Schuld und Scham sind auf jeder Seite spürbar. Die Aufarbeitung, Aufklärungsarbeit, das Sichbewusstmachen und Sensibilisieren sind heute wichtiger denn je, damit so etwas nie wieder geschieht, damit sich keine gegenwärtige und zukünftige Generation überhaupt mehr der Frage ausgesetzt sehen muss: Was hätte ich getan.
Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt by Peter Stamm
4.0
Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt von Peter Stamm hat mich zuerst verwirrt, dann genervt, mich aber schließlich doch noch mitgerissen.
Es geht um den Protagonisten Christoph, der in Stockholm in der viel jüngeren Lena seine frühere Liebe Magdalena wiedererkennt. Schnell stellt er fest, dass Lena wie Magdalena auch Schauspielerin ist und ihr Freund, Chris, wie Christoph selbst, Schriftsteller.
Die Gemeinsamkeiten der Lebenswege scheinen unglaublich, absurd, lassen einen fast verrückt werden. Immer wieder kehrt die Handlung auf die Thematiken Liebe vs. Schreiben und Wendepunkte des Lebens zurück.
Hat Christoph sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens richtig entschieden? Wäre sein Leben anders verlaufen, hätte er statt dieser jene Abzweigung genommen? Oder wäre er ohnehin immer wieder auf Umwegen zurück auf die für ihn vorgefestigte Bahn gelenkt worden? Gibt es einen freien Willen? Was ist Schicksal?
Es geht um den Protagonisten Christoph, der in Stockholm in der viel jüngeren Lena seine frühere Liebe Magdalena wiedererkennt. Schnell stellt er fest, dass Lena wie Magdalena auch Schauspielerin ist und ihr Freund, Chris, wie Christoph selbst, Schriftsteller.
Die Gemeinsamkeiten der Lebenswege scheinen unglaublich, absurd, lassen einen fast verrückt werden. Immer wieder kehrt die Handlung auf die Thematiken Liebe vs. Schreiben und Wendepunkte des Lebens zurück.
Hat Christoph sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens richtig entschieden? Wäre sein Leben anders verlaufen, hätte er statt dieser jene Abzweigung genommen? Oder wäre er ohnehin immer wieder auf Umwegen zurück auf die für ihn vorgefestigte Bahn gelenkt worden? Gibt es einen freien Willen? Was ist Schicksal?
Feminismus. 100 Seiten by Barbara Streidl
5.0
Feminismus von Barbara Streidl ist ein wunderbares kleines Büchlein, das so viel wichtigen und spannenden Input enthält. Dass es so viele unterschiedliche Strömungen innerhalb des Feminismus, dass es nicht DEN EINEN Feminismus gibt, das war mir irgendwie gar nicht so richtig bewusst. Auch viele Grundlagen zur Geschichte fand ich sehr interessant und lesenswert. Außerdem habe ich mir super viele (Lektüre)Tipps notiert, die ich mir unbedingt noch genauer anschauen möchte. Vielen Dank für diesen kleinen feinen Anstoß, mich zukünftig noch mehr mit dem Thema Feminismus auseinander zu setzen!
Heimkehren by Yaa Gyasi
4.0
Heimkehren von Yaa Gyasi ist eine sich über mehrere Jahrhunderte erstreckende Familiengeschichte - beginnend bei den getrennt voneinander in Ghana aufwachsenden Schwestern Effia und Esi. Während die Nachkommen von Effia in Afrika verbleiben, führt es den Familienzweig von Esi nach Amerika.
Jedes chronologisch aufgebaute Kapitel ist aus der Sicht eines Familienmitglieds geschrieben, umfasst in etwa 30 Seiten und lässt sich wie lose Kurzgeschichten unabhängig vom vorherigen oder nachfolgenden für sich lesen.
Thematisiert werden Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei, aber auch Drogenprobleme, Geschlechterungerechtigkeit und Polizeigewalt.
Durch die vielen unterschiedlichen, kurzen Einblicke in die jeweiligen Schicksale sind manche Geschichten bewegender als andere, je nach eigenem Kontext.
Auf jeden Fall ist Heimkehren ein essayistischer Roman, der noch einmal die historische Leidensgeschichte der BIPOC auf den Punkt verkürzt darstellt und vor Augen führt, wie tiefgreifend Rassismus bis heute in der Gesellschaft verankert ist.
Jedes chronologisch aufgebaute Kapitel ist aus der Sicht eines Familienmitglieds geschrieben, umfasst in etwa 30 Seiten und lässt sich wie lose Kurzgeschichten unabhängig vom vorherigen oder nachfolgenden für sich lesen.
Thematisiert werden Rassismus, Kolonialismus und Sklaverei, aber auch Drogenprobleme, Geschlechterungerechtigkeit und Polizeigewalt.
Durch die vielen unterschiedlichen, kurzen Einblicke in die jeweiligen Schicksale sind manche Geschichten bewegender als andere, je nach eigenem Kontext.
Auf jeden Fall ist Heimkehren ein essayistischer Roman, der noch einmal die historische Leidensgeschichte der BIPOC auf den Punkt verkürzt darstellt und vor Augen führt, wie tiefgreifend Rassismus bis heute in der Gesellschaft verankert ist.
Die Verlobten des Winters by Christelle Dabos
4.0
Die Spiegelreisende - Die Verlobten des Winters von Christelle Dabos ist der Auftakt des Fantasy-Vierteilers rund um Ophelia, eine Animistin, die auf der einen Seite durch Spiegel von einem zu einem anderen Ort reisen, auf der anderen durch die bloße Berührung mit ihren Händen Gegenstände lesen - das heißt deren Vergangenheit sehen - kann.
Aus ihrer heimeligen Idylle gerissen reist sie mit ihrer Patentante Roseline an den Pol zu ihrem Verlobten Thorn. Bei dieser Verbindung handelt es sich um ein Arrangement, das zum einen die Familien verbinden, zum anderen die Fähigkeiten von Ophelia und Thorn bündeln soll.
Auf dem Pol angekommen wird Ophelia mit verschiedenen Komplikationen, aber auch unbekannten Phänomenen konfrontiert. Das Erzähltempo ist eher langsam, ich hätte mir bei der Seitenanzahl irgendwie mehr Handlung gewünscht, allerdings wurden schon einige Fährten gelegt, deren Enthüllung ich dann doch gerne wissen möchte, weswegen ich auf jeden Fall den zweiten Band lesen möchte. Die geschaffene Welt hat mir sehr gut gefallen und ich bin gespannt, welche Intrigen und Geheimnisse, welche Personenkonstellationen und Entwicklungen es noch zu entdecken gilt.
Aus ihrer heimeligen Idylle gerissen reist sie mit ihrer Patentante Roseline an den Pol zu ihrem Verlobten Thorn. Bei dieser Verbindung handelt es sich um ein Arrangement, das zum einen die Familien verbinden, zum anderen die Fähigkeiten von Ophelia und Thorn bündeln soll.
Auf dem Pol angekommen wird Ophelia mit verschiedenen Komplikationen, aber auch unbekannten Phänomenen konfrontiert. Das Erzähltempo ist eher langsam, ich hätte mir bei der Seitenanzahl irgendwie mehr Handlung gewünscht, allerdings wurden schon einige Fährten gelegt, deren Enthüllung ich dann doch gerne wissen möchte, weswegen ich auf jeden Fall den zweiten Band lesen möchte. Die geschaffene Welt hat mir sehr gut gefallen und ich bin gespannt, welche Intrigen und Geheimnisse, welche Personenkonstellationen und Entwicklungen es noch zu entdecken gilt.
Nachrichten von Männern by Anika Decker, Katja Berlin
5.0
Nachrichten von Männern ist ein superwitziges Sachbuch, das stellenweise aber auch echt wütend macht, voller true!-Momente geschrieben von Katja Berlin und Anika Decker und zahlreichen anonymen Männern.
Eingeteilt in kurze Kapitel werden Nachrichtenschreiber, die wohl jede*r Leser*in im privaten oder beruflichen Kontext mehr oder weniger gut kennt und selbst schon erlebt hat, on point in verschiedensten Kategorien dargestellt, wie beispielsweise Der Ghoster, Der eklige Sexter, Die Mitternachtsnachricht, Die Herrklärung oder Der Dickpicer. Zu Beginn eines jeden Kapitels finden sich Beispielnachrichten diverser Verfasser*innen auf die dann jeweils Gedanken, Analysen, Einordnungen der Autorinnen folgen. Außerdem wird mehrmals berechtigte Kritik an der Therapieplatzsituation in Deutschland geäußert.
Mich hat das Buch von Katja Berlin und Anika Decker total abgeholt - ich habe mich (bedauerlicherweise!) in mehr Situationen wiedergefunden als ich mir wünschen würde. Sehr unterhaltsame und lehrreiche Lektüre im Geist der Zeit! Große Leseempfehlung, vor allem an alle Männer da draußen!!
Eingeteilt in kurze Kapitel werden Nachrichtenschreiber, die wohl jede*r Leser*in im privaten oder beruflichen Kontext mehr oder weniger gut kennt und selbst schon erlebt hat, on point in verschiedensten Kategorien dargestellt, wie beispielsweise Der Ghoster, Der eklige Sexter, Die Mitternachtsnachricht, Die Herrklärung oder Der Dickpicer. Zu Beginn eines jeden Kapitels finden sich Beispielnachrichten diverser Verfasser*innen auf die dann jeweils Gedanken, Analysen, Einordnungen der Autorinnen folgen. Außerdem wird mehrmals berechtigte Kritik an der Therapieplatzsituation in Deutschland geäußert.
Mich hat das Buch von Katja Berlin und Anika Decker total abgeholt - ich habe mich (bedauerlicherweise!) in mehr Situationen wiedergefunden als ich mir wünschen würde. Sehr unterhaltsame und lehrreiche Lektüre im Geist der Zeit! Große Leseempfehlung, vor allem an alle Männer da draußen!!
Vom Ende der Einsamkeit by Benedict Wells
5.0
TW: sexuelle Gewalt, Drogen, Tod, Suizid, Krebs
Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells ist ein wunderschön geschriebener Roman, der einen stellenweise sehr berührt, in einen tiefen Abgrund zieht, aus dessen Perspektive man jedoch immer das berüchtigte Lichtlein entdeckt und schließlich weiterliest, weiterkämpft. Wie das Leben eben: ein einziges Auf und Ab, Sonne und Schatten, Einsamkeit und Trost.
Jules verliert viel zu früh seine Eltern und wächst mehr ohne als mit seinen Geschwistern Marty und Liz in einem Internat auf. Wir begleiten ihn durch sein Leben, wie er vom gemobbten Einzelgänger, der sich nicht traut, seiner großen Liebe seine wahren Gefühle zu offenbaren, hin zu einem liebenden Familienvater und Bruder entwickelt. Es war wirklich schön zu lesen, wie die einst durch den Schicksalsschlag entzweiten Geschwister schließlich doch noch zusammenfinden und auch den Leidensweg eines angehenden Schriftstellers so hautnah mitzuerleben.
Besonders gut gefallen haben mir die immer wieder kehrenden, fast vergessen geglaubten Elemente, die Benedict Wells wie beiläufig in seine Geschichte einbaut und die ihn als groß- und einzigartigen Erzähler auszeichnen.
Meine Lieblingszitate:
„Das hier ist alles wie eine Saat. Das Internat, die Schule, was mit meinen Eltern passiert ist. Das alles wird in mir gesät, aber ich kann nicht sehen, was es aus mir macht. Erst wenn ich ein Erwachsener bin, kommt die Ernte, und dann ist es zu spät.“ (67)
„Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind. Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.“ (136)
„Wenn man sein ganzes Leben in die falsche Richtung läuft, kann‘s dann trotzdem das Richtige sein?“ (190)
„Die Zeit verläuft nicht linear, ebenso wenig die Erinnerungen. Man erinnert sich immer stärker an das, was einem gerade emotional nahe ist.“ (213f)
„Alles geht so schnell vorbei, und man kann nichts davon festhalten. Man kann nur sein.“ (295)
„Und doch bin ich mir sicher, dass es in diesem Universum einen Ort geben muss, von dem aus betrachtet beide Welten gleich wahr sind. Die echte und die ausgedachte. Denn wenn alles vergessen und vorbei ist, wenn die Zeit in Milliarden Jahren alles entfernt hat und es keinen Beweis mehr für gar nichts gibt, dann spielt es keine Rolle, was die Wirklichkeit war. Dann sind die Geschichten, die ich mir in meinem Kopf ausgedacht habe, vielleicht genauso wirklich und unwirklich gewesen wie das, was die Menschen Realität genannt haben.“ (309)
Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells ist ein wunderschön geschriebener Roman, der einen stellenweise sehr berührt, in einen tiefen Abgrund zieht, aus dessen Perspektive man jedoch immer das berüchtigte Lichtlein entdeckt und schließlich weiterliest, weiterkämpft. Wie das Leben eben: ein einziges Auf und Ab, Sonne und Schatten, Einsamkeit und Trost.
Jules verliert viel zu früh seine Eltern und wächst mehr ohne als mit seinen Geschwistern Marty und Liz in einem Internat auf. Wir begleiten ihn durch sein Leben, wie er vom gemobbten Einzelgänger, der sich nicht traut, seiner großen Liebe seine wahren Gefühle zu offenbaren, hin zu einem liebenden Familienvater und Bruder entwickelt. Es war wirklich schön zu lesen, wie die einst durch den Schicksalsschlag entzweiten Geschwister schließlich doch noch zusammenfinden und auch den Leidensweg eines angehenden Schriftstellers so hautnah mitzuerleben.
Besonders gut gefallen haben mir die immer wieder kehrenden, fast vergessen geglaubten Elemente, die Benedict Wells wie beiläufig in seine Geschichte einbaut und die ihn als groß- und einzigartigen Erzähler auszeichnen.
Meine Lieblingszitate:
„Das hier ist alles wie eine Saat. Das Internat, die Schule, was mit meinen Eltern passiert ist. Das alles wird in mir gesät, aber ich kann nicht sehen, was es aus mir macht. Erst wenn ich ein Erwachsener bin, kommt die Ernte, und dann ist es zu spät.“ (67)
„Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind. Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.“ (136)
„Wenn man sein ganzes Leben in die falsche Richtung läuft, kann‘s dann trotzdem das Richtige sein?“ (190)
„Die Zeit verläuft nicht linear, ebenso wenig die Erinnerungen. Man erinnert sich immer stärker an das, was einem gerade emotional nahe ist.“ (213f)
„Alles geht so schnell vorbei, und man kann nichts davon festhalten. Man kann nur sein.“ (295)
„Und doch bin ich mir sicher, dass es in diesem Universum einen Ort geben muss, von dem aus betrachtet beide Welten gleich wahr sind. Die echte und die ausgedachte. Denn wenn alles vergessen und vorbei ist, wenn die Zeit in Milliarden Jahren alles entfernt hat und es keinen Beweis mehr für gar nichts gibt, dann spielt es keine Rolle, was die Wirklichkeit war. Dann sind die Geschichten, die ich mir in meinem Kopf ausgedacht habe, vielleicht genauso wirklich und unwirklich gewesen wie das, was die Menschen Realität genannt haben.“ (309)
Elbstürme by Miriam Georg
5.0
TW: (sexuelle) Gewalt
Mit Elbstürme geht die hanseatische Familiensaga aus der kreativen Feder von Miriam Georg spannend, turbulent und leidenschaftlich weiter. Endlich wurden Lily, Jo, Emma, Charlie, Sylta, aber auch Franz und alle anderen wieder - wenigstens für ein paar Tage - Teil meines Lebens.
Ich habe mit ihnen mitgefiebert und gelitten, sie durch eine harte Zeit geprägt vom Kampf der Frauen und des Proletariats, der Gentrifizierung Hamburgs, von Polizeigewalt, einem Staat, in dem weder Gerechtigkeit noch Recht, sondern allein Macht und Geld regieren, begleitet.
Man konnte regelrecht die Chancenungleichheit von arm vs. reich, Mann vs. Frau, hetero vs. homo spüren und sich in so viele verschiedene Perspektiven, Denkweisen, Entscheidungen und Entwicklungen hineinfühlen. An manchen Stellen hätte sich mein Romcom-Herz weniger brutale Authentizität und mehr wohlwollende Fiktion gewünscht, aber das Leben ist manchmal eben kein Ponyhof. Und viele der damals ausgetragenen Kämpfe fechten wir - to be honest - leider immer noch aus.
Vielen Dank für diesen authentischen, herzzerreißenden historischen Roman, aus dessen Zeilen sich so viel mitnehmen lässt. Einige Wendungen, die mein Herz gebrochen haben, seien verziehen - ich kann gar nicht glauben, dass die Saga so zu Ende gehen sollen, ich hoffe auf einen weiteren Teil! Und auf eine Verfilmung!
Mit Elbstürme geht die hanseatische Familiensaga aus der kreativen Feder von Miriam Georg spannend, turbulent und leidenschaftlich weiter. Endlich wurden Lily, Jo, Emma, Charlie, Sylta, aber auch Franz und alle anderen wieder - wenigstens für ein paar Tage - Teil meines Lebens.
Ich habe mit ihnen mitgefiebert und gelitten, sie durch eine harte Zeit geprägt vom Kampf der Frauen und des Proletariats, der Gentrifizierung Hamburgs, von Polizeigewalt, einem Staat, in dem weder Gerechtigkeit noch Recht, sondern allein Macht und Geld regieren, begleitet.
Man konnte regelrecht die Chancenungleichheit von arm vs. reich, Mann vs. Frau, hetero vs. homo spüren und sich in so viele verschiedene Perspektiven, Denkweisen, Entscheidungen und Entwicklungen hineinfühlen. An manchen Stellen hätte sich mein Romcom-Herz weniger brutale Authentizität und mehr wohlwollende Fiktion gewünscht, aber das Leben ist manchmal eben kein Ponyhof. Und viele der damals ausgetragenen Kämpfe fechten wir - to be honest - leider immer noch aus.
Vielen Dank für diesen authentischen, herzzerreißenden historischen Roman, aus dessen Zeilen sich so viel mitnehmen lässt. Einige Wendungen, die mein Herz gebrochen haben, seien verziehen - ich kann gar nicht glauben, dass die Saga so zu Ende gehen sollen, ich hoffe auf einen weiteren Teil! Und auf eine Verfilmung!
Notes to Self by Emilie Pine
4.0
TW: Krebs, Drogen, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung, Fehlgeburt, Essstörung, Suizid, Tod
Notes to Self von Emilie Pine ist eine essayistische Sammlung von Erfahrungsberichten und Gedanken der Autorin in Tagebuch ähnlicher Form verfasst. In sechs Essays, die wiederum jeweils in kleinere Abschnitte eingeteilt sind, berichtet sie von ihren Erfahrungen mit einem alkoholkranken Vater, ihrer Kinderlosigkeit und den vorangegangenen verzweifelten Versuche doch noch Mutter zu werden - inklusive der Fehlgeburt ihres Kindes und der Totgeburt, die ihre Schwester erlitten hat. Sie thematisiert die Stellung der Frau in der Gesellschaft - vor allem im sehr konservativen (was mir bis dato überhaupt nicht so bewusst war) Irland, Period-Shaming, sie erzählt von ihrer Essstörung und Depressionen, von erlebter sexueller Gewalt und Vergewaltigungen. Dabei handelt es sich stets um subjektive Gedanken, die dennoch wohl auch Millionen andere Menschen überall so oder so ähnlich erlebt haben und immer noch erleben. Man darf Notes to Self nicht als allgemeingültiges Pamphlet verstehen, vielmehr sollte es Leser*innen weltweit für immer noch stark tabuisierte Themen sensibilisieren.
Notes to Self von Emilie Pine ist eine essayistische Sammlung von Erfahrungsberichten und Gedanken der Autorin in Tagebuch ähnlicher Form verfasst. In sechs Essays, die wiederum jeweils in kleinere Abschnitte eingeteilt sind, berichtet sie von ihren Erfahrungen mit einem alkoholkranken Vater, ihrer Kinderlosigkeit und den vorangegangenen verzweifelten Versuche doch noch Mutter zu werden - inklusive der Fehlgeburt ihres Kindes und der Totgeburt, die ihre Schwester erlitten hat. Sie thematisiert die Stellung der Frau in der Gesellschaft - vor allem im sehr konservativen (was mir bis dato überhaupt nicht so bewusst war) Irland, Period-Shaming, sie erzählt von ihrer Essstörung und Depressionen, von erlebter sexueller Gewalt und Vergewaltigungen. Dabei handelt es sich stets um subjektive Gedanken, die dennoch wohl auch Millionen andere Menschen überall so oder so ähnlich erlebt haben und immer noch erleben. Man darf Notes to Self nicht als allgemeingültiges Pamphlet verstehen, vielmehr sollte es Leser*innen weltweit für immer noch stark tabuisierte Themen sensibilisieren.
Krötensex by Franka Frei
3.0
Krötensex von Franka Frei ist ein gesellschaftskritischer Roman am Geist der Zeit, der allerdings so einige Klischees - wie beispielsweise, dass Sachsen komisch reden („Lääserteschnig“, „Dömas“) und rechts sind - überspitzt darstellt.
Frieda Flieker geht zum Studieren in die sächsische Provinz, genannt Amerika. Dort bleibt sie aber nicht, sondern geht wieder zurück in ihr WG-Leben nach Berlin - die Drogenszene dort war mir viel zu glorifizierend dargestellt. Außerdem shamed sie ihren Body die ganze Zeit und sieht ihre Schwester Freia als die bessere Version ihrer selbst.
Was genau mit Krötensex eigentlich gemeint ist, ist mir bis heute nicht so klar.
Bei den vielen neu auftauchenden Personen stellt man sich immer wieder die Frage: wer ist denn das jetzt schon wieder/wo kommt der auf einmal her? Viel zu viele Typen, Beziehungsgeschichten - war mir auf der einen Seite zu langweilig, auf der anderen alles viel zu viel.
Was mir sehr gut gefallen hat, war, wie Franka Frei super relevante Themen wie Period Shaming, Gendern, toxische Beziehungen und geschlechtsspezifische Gewalt, Homosexualität, Geschlechtsidentität, Sexismus, Influencerlifestyle vs. Reality etc. eingebaut hat.
Allerdings hab ich mich während des Lesens so oft einfach wie end die letzte uncoole Spießerin gefühlt - mir ist echt schlecht geworden bei Menstruationsbluttrinken, kollektivem Virusgekotze und die auf Instagram zu postende Squirtaktion - WTF
Frieda Flieker geht zum Studieren in die sächsische Provinz, genannt Amerika. Dort bleibt sie aber nicht, sondern geht wieder zurück in ihr WG-Leben nach Berlin - die Drogenszene dort war mir viel zu glorifizierend dargestellt. Außerdem shamed sie ihren Body die ganze Zeit und sieht ihre Schwester Freia als die bessere Version ihrer selbst.
Was genau mit Krötensex eigentlich gemeint ist, ist mir bis heute nicht so klar.
Bei den vielen neu auftauchenden Personen stellt man sich immer wieder die Frage: wer ist denn das jetzt schon wieder/wo kommt der auf einmal her? Viel zu viele Typen, Beziehungsgeschichten - war mir auf der einen Seite zu langweilig, auf der anderen alles viel zu viel.
Was mir sehr gut gefallen hat, war, wie Franka Frei super relevante Themen wie Period Shaming, Gendern, toxische Beziehungen und geschlechtsspezifische Gewalt, Homosexualität, Geschlechtsidentität, Sexismus, Influencerlifestyle vs. Reality etc. eingebaut hat.
Allerdings hab ich mich während des Lesens so oft einfach wie end die letzte uncoole Spießerin gefühlt - mir ist echt schlecht geworden bei Menstruationsbluttrinken, kollektivem Virusgekotze und die auf Instagram zu postende Squirtaktion - WTF